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Liebe Art

SO KOMMT SIE ZUM OHR-GASMUS

Ich hab’ ja keine Ahnung, wie aufgeklärt Liebe ART-Leserinnen und –Leser sind. Jedenfalls habe ich mir unter einem Orgasmus etwas anderes vorgestellt als Bernhard Ludwig. Das Andere fängt schon bei der Schreibweise an: Ludwig meint nämlich, dieses Erlebnis müsse geschrieben so aussehen: Ohr-gasmus. Und Ludwig muss es wissen. Schließlich ist er Psychologe, Sexualtherapeut und Vater von vier Töchtern. Sie will doch nur sein Feuer Ach ja, und noch etwas ist er: Kabarettist. Egal, welch tiefgründige Fragen ihm die Leute stellen, er antwortet. Und zwar mit Sinn und Verstand und wahrheitsgetreu und immer so, dass sich selbst die fürchterlichsten Probleme und Fragen einfach weglachen lassen. Selbst solche: Wie heilt man eingebildete Kleinschwänzigkeit? Was wollen Frauen wirklich? Wie täuschen Männer einen Orgasmus vor? Bernhard Ludwig erklärt den Ohr-gasmus – und dies gaaaaaanz langsam. Er fängt an mit der Kommunikation von Männern und Frauen, erklärt, wie beide auf kommunikativem Weg völlig unterschiedliche Ziele verfolgen. Dazu skizziert Ludwig in seinem Buch “Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit” eine Bushaltestelle. Eine Frau und ein Mann warten vor sich hin. Sie steckt sich eine Zigarette zwischen die Lippen und fragt ihn. „Haben Sie Feuer?“ Er guckt nur, ziemlich verunsichert, sagt nichts und denkt: „Hilfe, sie will sicher eine Beziehung.“ Der Unterschied, der es so schwer macht Der Therapeut bringt den Unterschied zwischen den Geschlechtern auf den Punkt: Männer verwendeten Kommunikation, um Status herzustellen, um zu siegen, um hinauf zu kommen. „Je lauter wir Männer in der Karriere herumturnen, je imposanter wir im Gasthaus allen das Wort abschneiden und den Leuten unsere superlustigen Geschichten reindrücken, je mächtiger wir draußen aufstampfen, desto ruhiger und stiller werden wir, wenn wir daheim die Haustür zumachen.“ Am heimischen Herd angekommen redeten Männer nicht mehr viel. Und auch das Zuhören werde ökonomischer gestaltet. „Blöd“ sei nur, wenn die Frau seine Form des Zuhörens plötzlich hinterfrage. Wenn sie ihm vorhalte: „Du hörst mir ja gar nicht zu!“ Oder wenn sie die noch schärfere Variante einsetze: „Was hab’ ich gerade gesagt?!“ Lernprogramm für Paare Der Frankfurter Professor Lukas Möller habe festgestellt, dass bereits nach vier Jahren Zusammenlebens mit derselben Frau in derselben Wohnung die sinnvolle Gesprächszeit mit der Partnerin auf vier Minuten täglich reduziert werde. Sinnvoll für die Partnerschaft bedeute, ohne Geschäfts- und ohne Haushaltsgespräche. Bernhard Ludwig meint, vier Minuten seien nicht viel. Um die durchzuhalten, seien Paare gezwungen, schlanke Kommunikation zu erlernen. Dazu sei es sinnvoll, bereits bei den Floskeln zu sparen. Wörter wie „Bitte“, „Danke“, „Hallo“ und „Tschüss“ seien reine Zeiträuber. „Warum jeden Tag ,Guten Morgen’ sagen? Man sieht doch, wann es hell wird.“ Einer Frau, die partout auf Begrüßungsformeln bestehe, könne der Mann sagen: „Also, wenn ich komme, bedeutet das ,Grüß Gott’, und wenn ich weggehe, siehst du es sowieso.“ Nicht unnötig lange beim Abschied von der Liebsten aufhalten Ludwig geht durch den Kopf, wie lange seinerzeit im Auto eine Verabschiedung gedauert hat, „als wir noch verliebt waren – bis man da wieder angezogen und adjustiert war…“ Aber solches Verhalten könne man nicht in eine Ehe hineinschleppen. Als Mann frage man sich auch, ob es denn wirklich nötig sei, jedes Essen zu kommentieren. „Wenn ich nicht schimpfe, ist das doch Lob genug. – Na ja, und wenn es versaut ist, dann muss man schon was sagen.“ Der Therapeut stellt die Frage in den Raum, welche Frau die Fairness aufbringe, ein verhunztes Schnitzel zu diskutieren. Stattdessen suche sie irgendwelche Fehler auf der anderen Seite. Wenn er sie darauf hinweise, dass das Schnitzel verbrannt sei, gifte sie gleich fünffach zurück: „Aaaaah, das Schnitzel passt dir nicht.“ – „Na und? Dafür weiß ich nie, wann du heim kommst.“ – „Keiner hilft mir im Haushalt.“ – „Deine Mutter hat dich völlig verzogen.“ – „Alles bleibt an mir hängen.“ Der verführerische Blick durchs Fernrohr Ludwig fragt sich, woher dieser dramatische Unterschied in der Kommunikation zwischen Mann und Frau kommt. Dann fällt ihm der Buchautor John Gray ein. Der habe sich eine witzige Metapher ausgedacht, um das zu erklären. Sein Gleichnis erzähle, wie die Männer vom Mars und die Frauen von der Venus auf die Erde gekommen seien. Die Männer hätten tausende Jahre ganz allein auf dem Mars gelebt. „Okay,“ räumt Bernhard Ludwig ein, „das klingt ein bisschen dämlich. Schon allein wegen der Fortpflanzungsfrage. Aber nehmen wir’s hin.“ Irgendwann hätten „wir Männer mit unseren Fernrohren“ zur Venus hinübergeguckt „und die Frauen zu uns zum Mars.“ Die Männer hätten ihr Auge ans Rohr gedrückt und geseufzt: „Mein Gott, sind die lieb!“ Und die Frauen hätten mit ihren Augen am Rohr geklebt und geschwärmt: „Mein Gott, sind die stark.“ Als Männer noch ungestört verspielt sein durften Eines Tages hätten beide zusammen die Erde erobert, doch dabei hätten Männer und Frauen völlig vergessen, dass sie aus vollkommen unterschiedlichen planetarischen Sprachwurzeln kommen. „Wir Männer haben auf dem Mars gearbeitet, gespielt, uns sportlich betätigt und viel Unsinn getrieben – Da war es nicht notwendig über Gefühle zu sprechen. Wenn wir ein Problem hatten, sind wir in unsere Höhle zurückgekrochen und haben scharf nachgedacht. Und sobald wir durch intellektuelles Nachdenken das Problem selbst gelöst hatten, haben wir die Höhle wieder verlassen – und weitergespielt.“ Damals sei den Männern niemand lästig geworden. Niemand habe sie gefragt: „Was hast du denn?“ – „An was denkst du gerade?“ – „Ich spür doch, dass du was hast.“ – „Reden wir doch darüber!“ – „Jetzt sag’s doch endlich!“ Darauf reagieren Frauen schlimmer als auf vorzeitige Ejakulation Auf dem Mars sei es für Männer in Ordnung gewesen, problemlösend zu kommunizieren. Darum rät Ludwig seinen Geschlechtsgenossen: „Wenn eine Frau ein Problem hat, sagen Sie ihr um Himmels Willen keine Lösung! Sie will über das Problem nur reden. Nur reden!“ Wenn die Frau ihrem Mann erzähle: „Ich habe Probleme mit meinem Chef“, solle er um Himmels Willen nicht sogleich die Lösung bieten, indem er ihr rate: „Na und, dann kündige eben.“ Der Sexualtherapeut hat in seiner Praxis die Erfahrung gemacht: Frauen ahnden vorzeitige Lösungsvorschläge schlimmer als vorzeitige Ejakulation.“ Er legt Männern nahe, die Venussprache zu erlernen. Die gehöre zum Rüstzeug des fortschrittlichen Mannes – nicht nur fürs private sexuelle Vergnügen, sondern auch fürs Geschäftsleben. Darum, wenn sie erzählt, sie habe Probleme mit ihrem Chef, wäre seine Antwort eine gute Antwort, wenn sie lauten würde: „Ja, das kenn’ ich gut.- So ist es mir auch schon gegangen. – Und ich kenne jemanden, dem geht’s genauso.“ Männer sollten sich an einen Damentisch robben Ludwig legt Männern nahe, mit einer Zeitung als Schutzschild in ein Café zu gehen und sich dann an einen Damentisch heranzurobben. Im nächsten Schritt plädiert er dafür, dieser Damenrunde mit ungeteilter Aufmerksamkeit zwei Stunden lang zuzuhören – ohne einzugreifen. „Auch wenn es schwer fällt. Bleiben Sie ruhig, während Sie hinter Ihrer Zeitung lauschen.“ Der Mann würde bemerken, dass Frauen zwei Stunden über Probleme reden können, ohne eine Lösung vorzuschlagen. Erst ganz zum Schluss werde es konkret. Männer werden dabei wahnsinnig Der Therapeut verheimlicht nicht, dass manche Männer dabei wahnsinnig werden. „Andere beginnen automatisiert zu nicken.“ Und er macht auch kein Geheimnis daraus, dass es „dieselbe Kommunikationsdiskrepanz dummerweise auch bei der körperlichen Liebe“ gibt. Männer lieben den Direktangriff ihrer Partnerin.„Wir Männer hätten gern den direkten Angriff auf unsere einzige erogene Zone. Doch was machen die Damen von der Venus? Die suchen irgendwo oben herum.“ Währenddessen liege der Mann verzweifelt abwartend auf der Matratze herum und denke „Mein Gott, so findet sie IHN nie.“ Darum rät der Sexualtherapeut Frauen: „Auch wenn Sie schon zehn Jahre verheiratet sind, sollten Sie als Frau den zielorientierten Angriff praktizieren.“ Außerdem sei es eine Frage der Höflichkeit, den Untermieter mit einem Griff unter die Decke zu begrüßen. Zum Beispiel mit folgender Formel: „Ja, hallo, wen haben wir denn da?“ Frauen sollten beim Basteln der Erektion helfen Und als Mann vom Fach sagt er den Frauen: „Unter uns, spätestens ab 50 müssen Sie als moderne Frau beim Basteln der Erektionen ohnehin ein bisschen nachhelfen und Hand anlegen.“ Er meint, Paare, die nicht bereit seien, „es gemeinsam zu erbasteln“, könnten sich immer noch vom Urologen helfen lassen. Bei einem Vortrag zum Thema stellt sich der Therapeut vors Publikum. Er fragt die männlichen Zuhörer: „Welche Männer hätten nichts dagegen, noch in dieser Woche einen direkten Angriff zu erleben?“ Die Männer, „die das ganz witzig finden würden,“ bittet er zu summen. Jetzt. Die Antwort aus dem Publikum lautet: „Mmmmmm.“ Ludwig hört, dass manche Männer nicht gesummt haben und sagt ihnen, sie verdienten den Angriff nicht. Er meint, diese Schweiger würden nackt ans Bett gefesselt und irgendwo oben gestreichelt, unter dem Motto: „Mal schauen, ob du kommen kannst, ohne dass wir ihn berühren.“ Kreisend die Innenseiten seines Oberschenkels bürsten Seine Anweisung an die Frauen lautet: „Falls er noch nicht um Gnade winselt, bleibt er gefesselt und Sie holen die elektrische Zahnbürste. – Jetzt bürsten Sie auf der Innenseite des nackten Oberschenkels in kleinen Kreisen aufwärts. Ohne Zahnpasta. Sie werden sehen, es passiert etwas Hochinteressantes.“ Der Fachmann erwähnt den „Cremaster-Reflex“ (lat. von Kremaster: Aufhänger, der den Hodensack spannende Muskel): Dieser Reflex sei die lustigste Reaktion im männlichen Körper. Unter Verzicht auf weitere Fachtermini versucht der Wissenschaftler das Phänomen zu erklären: „Die Eier, pardon, der Hoden fürchtet sich vor der Zahnbürste, obwohl er das Ding gar nicht kennt. – Es fetzt ihn weg. Nicht mehr sichtbar. Nicht mehr tastbar. Futsch.“ Und der evolutionsbiologische Wahnsinn dabei sei: „Dem daneben ist das völlig egal! Der hängt ganz einfach weiter ab.“ Das sei nicht geil aber lustig. „Und falls Ihnen diese Sache zu blöd ist, können Sie die Zahnbürste umdrehen und sich selbst vergnügen.“ Männer brauchen nur ein Gebüch. Oder ein Auto. Oder sowas. Um seine männlichen Zuhörer nicht zu verängstigen, sagt Ludwig ihnen, was ganz normal und männlich ist: „Wir Männer brauchen keine Vorbereitungen. Wir sind schon ready. Wir brauchen nur eine Gelegenheit. Ein Gebüsch. Ein Auto. Ein Hotel. Einen Aufzug (der stecken bleibt). Ein Zugabteil, hoffentlich leer. - Egal.“ Da der Therapeut herausgefunden hat, dass Frauen auf Vorbereitungen nicht verzichten wollen oder können, verrät er den Männern, wo der wichtigste Einlass in das weibliche Becken ist: „Nicht unten, sondern oben zwischen den Ohren. – Hier muss man eine Frau penetrieren. – Da geht’s hinein.“ Und so kommt Bernhard Ludwig langsam zum „Ohr-gasmus“. So geht’s direkt zum Audio-Sex Damit seine männlichen Zuhörer nicht mit einem Missverständnis nach Hause und in ihre erotische Praxis gehen, fügt er sicherheitshalber hinzu, sie sollten sich bitte nicht mit einem Filzstift Richtung Ohr ihrer Liebsten bewegen: „Sie müssen reden! Ganz lieb reden!“ Zum Beispiel so: „Ich liebe dich.“ Oder so: „Ich brauche dich.“ Oder so: „Bitte nimm nicht ab, du gefällst mir so wie du bist.“ Das auf diese Weise entsendete männliche Signal wandere an der Frau von oben entlang einer geheimen direkten Verbindung nach unten.“ Diese geheime Verbindung sei der sagenumwobene „Audio-Genitaltrakt“. Dieser führe bei der Frau zu Audio-Sex – oder auch Ohr-alsex. Ein schwieriger aber wichtiger Schritt für den Mann Außerdem sollten Männer gegenüber Frauen sparsam mit ihrem Wissen sein. Das heißt, wer die reizvollsten Betätigungsfelder der Frauen erkannt und genau im Auge habe, solle so tun, als habe er keine Ahnung. „Schleichen Sie sich zur Abwechslung auf Venus-Art an. – Aber nicht mit Mars-Geschwindigkeit. Wenn Sie bei ,1’ angelangt sind, hören Sie das erste Mal auf und fangen noch einmal von vorne an. Und wenn sie dann bei ,2’ sind und die Frau schon sagt: ,Uhh, mmh, ja, mach da ein bisschen weiter!’, dann sagen Sie: ,Nein, jetzt fangen wir noch einmal an.“ Der nächste Schritt sei der schwierigste und wichtigste: „Wenn Sie bei ,3’ sind und die Frau sagt: ,Uuh, ja, komm, mein Schatz, es geht gleich los!’, dann atmen Sie als Mann zweimal tief durch – und fangen noch einmal an.“ Nicht gleich mit dem ersten billigen Orgasmus begnügen Männer sollten sich in dieser Situation bitte nicht mit dem „ersten billigen Orgasmus, den kleinen Zwergen“ ihrer Frau begnügen, auch wenn diese in Serie daherkämen: „Nur Mut, trauen Sie sich!“, ermuntert der Sexualtherapeut. Die Spannung steige, bis endlich „The Big O… Auf ihn wollen Sie hinaus!“ Außerdem sei dann sichergestellt, dass für dieses Mal Ruhe ist. © Andreas Kläne