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WIE MAN SEXUELL UNZUFRIEDEN WIRD

Es sollte ein ganz normales Interview werden, das ich mit dem bekannten österreichischen Seminarkabarettisten Bernhard Ludwig vereinbart hatte. Geworden ist daraus ein spannendes Gespräch über die Tiefen und Untiefen der Sexualität mit therapeutischer Nebenwirkung. Das liegt nicht alleine daran, dass Interviews zu führen nicht mein Hauptberuf ist, sondern auch an der Persönlichkeit dieses Mannes, die nicht in ein kurzes Frage-Antwort-Schema passt. Einige Fragen, viel mehr Antworten und interessante Einblicke in diesen bunten Menschen versuche ich hier unter einen Hut zu bringen. Schon als ich beim Schild „Ludwig B.“ läute und die Türnummer daneben sehe, muss ich grinsen: Nr. 6 - ah ja, was sonst. Der Mann dürfte konsequent bis ins Detail sein. Jener Herr Ludwig, der mir dann die Türe öffnet, ist mir aus den Medien und von der Bühne her vertraut und dennoch ist er ganz anders, als ich ihn mir vorgestellt habe. So wie er über sein Kabarett sagt, dass kein einziger Witz vorkommt, sondern dass einfach gelacht wird, so erlebe ich ihn auch in der persönlichen Begegnung. Er ist ernsthaft, wenn es um seine Lieblingsthemen geht (Sexualität, Herzinfarkt, Diäten). Durch seine trockene, schonungslose Art, diese Themen bis ins letzte Detail (also tatsächlich konsequent, dieser Mann) zu beleuchten, zieht er die Menschen an wie die Motten das Licht. Sie fühlen sich zugleich ertappt und verstanden und bekommen pikantes neues Wissen in meist leicht verdaulichen Häppchen serviert. Als Nebenwirkung dieses hochgradig medizinisch-psychologischen Programms können immer wieder Lachanfälle auftreten. Also muss dieser Mann doch auch lustig sein. Ist er auch, wie ich während unseres Gesprächs erleben darf. Aber eben gepaart mit dieser angenehmen Ernsthaftigkeit. Und sein Fachwissen nährt sich ganz sicher nicht nur aus Büchern, sondern sympathischerweise aus vielen persönlichen Begegnungen mit Menschen aus seiner Praxis als Psychologe. Was war für Sie die Motivation, Ihre Erfahrungen als Psychologe in humoristischer Form unter die Leute zu bringen? Ich habe viele Jahre in einem Kurzentrum mit Herzinfarkt-Patienten gearbeitet. 90 % davon waren Männer. Und das, was die Patienten am meisten interessiert hat, war die Frage, wie es nachher mit dem Sex weiter geht. Ich habe in der Zeit viele Seminare in den USA besucht und wollte dieses neue, damals hier noch unbekannte Wissen in einem Buch heraus geben. Also habe ich die Patienten gefragt, welches Buch sie lieber lesen würden: Eines mit dem Titel „Anleitung zum Herzinfarkt“ oder mit dem Titel „Rette dein Herz“. Neun von zehn haben gesagt, sie würden lieber „Anleitung zum Herzinfarkt“ oder „Anleitung zum Diätwahnsinn“ oder eben zur sexuellen Unzufriedenheit lesen, weil das ohne erhobenen Zeigefinger ist. Das sind drei verschiedene Programme. Ich bin ja kein One-Trick-Pony, das nur Sex behandelt. Aber der gemeinsame Nenner ist Sexualität. Hatten Sie schon vor dieser Patientenumfrage Lust, diese Themen auf lustige Art und Weise rüber zu bringen? Nein, eigentlich nicht, denn ich bin ja nicht lustig. Ich brauche auch auf der Bühne nicht lustig sein. Denn das Kabarett bei mir funktioniert nicht deswegen, weil ich lustig bin. Es funktioniert, weil die Zuschauer zwischen ihren Ohren die Gaude (den Spaß) haben. Der muss vergleichen und sagen, das stimmt oder das stimmt nicht. Und deswegen gibt es ja zwei- bis dreihundert verschiedene Kabaretts. Ich biete nur die Fakten. Ich habe auch konsequenterweise alle Witze aus dem Programm genommen, weil ich bemerkt habe, das bringt nichts. Der Zuschauer lacht zwar, aber es trifft ihn nicht. Ich habe nur die Themen übrig gelassen, die nicht klar sind, weil sie nicht besprochen werden. Ihr Kabarett ist ja bekannt dafür, dass Sie das Publikum im zweiten Teil nach Frauen und Männern trennen. Dann stellen Sie Ihnen Fragen zu ihrem Sex-Leben und stimmen in Form von Summen getrennt ab. Kam es schon vor, dass die Besucher diese Trennung verweigern? Wenn sie sich nicht trennen lassen, dann haue ich sie raus. Ich sage ihnen, dass sie nur den ersten Teil der Vorstellung bezahlt haben und dass der zweite Teil ein Geschenk von mir ist. Und der funktioniert nur, wenn sie meine Spielregeln annehmen. Es kann ja auch kein Therapeut arbeiten, wenn jeder in der Gruppe etwas anderes macht. Ich muss die Spielregeln machen. Aber ich biete dem Publikum an, dass sie nach dem zweiten Teil abstimmen können, ob es eine gute Idee war, nach Männern und Frauen zu trennen oder nicht. Oder ich bestimme, dass heute nicht getrennt wird. Dann habe ich den Spaß, denn dann sehe ich wie es beim Summen ist, wenn die Paare zusammen sitzen. Die trauen sich ja nicht zu summen, wenn sie zusammen sitzen. Wie geht es Ihnen mit der Routine nach 14 Jahren Spielzeit? Das Programm wurde ja immer weiter entwickelt und ich kann es nicht auswendig. Jede Aufführung ist anders. Man darf nicht sehen, dass ich es 200 Mal im Jahr mache. Aber jetzt habe ich zwei Jahre nicht gespielt. Nach meinem Schlaganfall wollte ich keine einzige Vorstellung absagen, hatte gedacht, ich mache weiter. Im Rehab-Zentrum habe ich als Dankeschön eine Vorstellung gegeben. Da wusste ich an einer Stelle, dass jetzt eine Pointe kommt. Die ist mir nicht eingefallen. Also habe ich die Vorstellung nach fünf Minuten abgebrochen, weil das Kurzzeitgedächtnis nicht so funktioniert hat. Jetzt beginne ich wieder mit Auftritten. Und wieso haben Sie dann auch noch einen Comic zu Ihrem Seminarkabarett gemacht? Beim Live-Kabarett ist es ja so, dass man raus geht und sich denkt: „Was war das jetzt? Ich kann nichts erzählen darüber. Da kommt ja kein einziger Witz vor!“ Beim Comic findet man bestimmte Stellen wieder und kann vor- und zurückblättern. Am besten, man liest es mit seinem Partner und nimmt dazu zwei Farbstifte. Jeder markiert beim Lesen das für ihn Wichtigste und am Ende ist es wie nach dem Kabarett: Es gibt nicht nur ein Programm sondern so viele, wie es Besucher gibt. Jeder macht sich durch seine selektive Wahrnehmung sein eigenes Kabarett. Bevor das Buch entstanden ist, musste ich erst selbst als über 50-Jähriger noch lernen, wie man Comics richtig liest. Während meiner Schulzeit wurden Comics ja verbrannt. Da hieß es immer, dass man mit Comics das Lesen verlernt. Wenn man den Comic „Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit“ her nimmt, ist bewiesen, dass das gar nicht stimmt. Man braucht mindestens eineinhalb Stunden, um es zu lesen und dann erspart man sich auch noch zehn Therapiestunden! Bernhard Ludwig gab auf dem Herbstfest der connection am 1.9.07 eine Vorstellung seiner „Anleitung zur sexuellen Unzufriedenheit“. Dort entstand die Idee zu einem gemeinsamen Auftritt mit Wolf Schneider am 15.-17. Februar in Wien. Voraussichtlich wird es ein Workshop über „Erotik und Sprache“ mit seminarkabarettistischen Einlagen. Mehr dazu beizeiten auf www.connection.de.